Mit einem Vorsorgeauftrag kann eine Person vorgängig bestimmen, wer sich im Falle ihrer Urteilsunfähigkeit um sie bzw. um ihr Vermögen kümmern soll. Häufig sehen Eltern ihre (erwachsenen) Kinder als beauftragte Personen vor. Dabei kann ein Interesse bestehen, den Nachkommen im Rahmen des Vorsorgeauftrags auch gewisse Rechte zukommen zu lassen. Tritt – zum Beispiel infolge von Altersdemenz – Urteilsunfähigkeit ein, zieht die betroffene Person oftmals in eine geeignete Wohneinrichtung um. Besitzt die urteilsunfähige Person eine eigene Liegenschaft, hat sie nach dem Heimeintritt keine Verwendung mehr dafür. Kann im Rahmen eines Vorsorgeauftrags festgelegt werden, dass das mit der Vorsorge beauftragte Kind die Liegenschaft selbst erwerben darf?
Die beschriebene Konstellation birgt folgendes Problem: Einerseits soll das beauftragte Kind den Vorsorgeauftrag sorgfältig erfüllen und bei der Vornahme von Geschäften stets im Sinne der auftraggebenden Person handeln. Andererseits erwirbt das beauftragte Kind eine Liegenschaft von der auftraggebenden Person, welche es selbst vertritt. Mit anderen Worten: Das beauftragte Kind schliesst einen Vertrag mit sich selbst ab. Es handelt sich um ein sogenanntes „Insichgeschäft“ beziehungsweise um „Selbstkontrahieren“.
Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind Insichgeschäfte grundsätzlich von einer Vollmacht nicht gedeckt. Das Bundesgericht führt an, dass das Kontrahieren eines Vertreters mit sich selbst regelmässig zu Interessenkollisionen führe. Somit sei ein Rechtsgeschäft, welches durch Selbstkontrahieren zustande komme, ungültig. Das Bundesgericht beschreibt jedoch Situationen, in welchen das Selbstkontrahieren zulässig ist: Ein Vertrag ist trotz Selbstkontrahierens gültig, wenn die beauftragte Person zum Vertragsschluss mit sich selbst besonders ermächtigt war oder wenn die vertretene Person das Geschäft nachträglich genehmigt. Es ist davon auszugehen, dass diese bundesgerichtliche Rechtsprechung, welche im Zusammenhang mit der Erteilung von Vollmachten ergangen ist, auch auf das Rechtsinstitut des Vorsorgeauftrags anwendbar ist.
Weil von einer urteilsunfähigen Person keine nachträgliche Genehmigung eingeholt werden kann, sollte eine entsprechende Ermächtigung der beauftragten Person unbedingt im Vorsorgeauftrag vorgesehen werden. Auf diese Weise können vorsorgebeauftragte Nachkommen rechtsgültig die Liegenschaft der Eltern erwerben, wenn diese die Liegenschaft nicht mehr nutzen können. Zwar wäre eine Ermächtigung zu Insichgeschäften grundsätzlich formfrei möglich, zu Beweiszwecken empfiehlt sich jedoch die Regelung im schriftlichen und öffentlich beurkundeten Vorsorgeauftrag. Dabei kann – falls dies gewünscht wird – auch der künftige Erwerbspreis festgelegt werden. Dies gewährt faire Vertragskonditionen für die urteilsunfähige Person und nimmt den vorsorgebeauftragten Nachkommen die schwierige Frage nach dem angemessenen Preis ab.
Übrigens: Die vorstehenden Ausführungen gelten nicht nur dann, wenn es sich bei der beauftragten Person um einen Nachkommen handelt. Grundsätzlich kann jede mittels Vorsorgeauftrag für den Fall der Urteilsunfähigkeit beauftragte Person zum Erwerb der Liegenschaft der auftraggebenden Person ermächtigt werden.